Ein obskures Objekt der Begierde

28.03.2013 – Irgendwas muss ja dran sein, am Internet: Irgendetwas hat das World Wide Web an sich, das eine kaum erklärliche Anziehungskraft auf die unterschiedlichsten Berufs- und Altersgruppen ausübt. Irgendwas, das arme und reiche, dicke und dünne, lustige und dumme Menschen gleichermaßen anzieht. Aber was ist das?

Bedauerlicherweise reicht der hier verfügbare Platz kaum, die Internet-Affinität von (geschätzt) einem Viertel der Weltbevölkerung zu erklären. Also beschränken wir unsere heutige Betrachtung aus aktuellem Anlass auf eine Teilmenge der Menschheit: auf die Politiker. Mitte März erreichten uns nämlich zwei Nachrichten, die gewisse Rückschlüsse darauf zulassen, was Politiker am Netz so toll finden.

Legislative, Exekutive, Judikative, Pornomotive

Am 11. März erfuhren wir, dass Innenminister Hans-Peter Friedrich sich mit EU-Kommissarin Viviane Reding verbündet hat, um die juristischen Rahmenbedingungen für ein Recht auf Datenlöschung im Internet zu schaffen. Einen Tag später, am 12. März, erreichte uns die Nachricht, dass der Frauenausschuss des Europaparlaments vorhat, Pornos zu verbieten – im Internet. Das gibt zu denken.

Denken wir also zuerst mal an die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative: Da im Rahmen dieser Gewaltenteilung die Judikative und die Exekutive (abgesehen von wenigen repräsentativen Regierungsämtern) qualifizierten Fachleuten vorbehalten bleiben, ist die Legislative – das Parlament – der designierte Tummelplatz für gewählte Politiker. Dort werden die Gesetze gemacht, die von den beiden anderen staatlichen Gewalten ausgeführt bzw. überwacht werden.

Das Langeweilsche Gesetz

Der Gesetzgeber gibt Gesetze. Das ist gut und richtig so. Fragt sich aber, was ein Gesetzgeber macht, wenn er sich gerade mal langweilt? Genau: Er gibt noch mehr Gesetze. Dabei allerdings stößt er hierzulande bisweilen auf das Problem, dass die Gesetzesbücher eigentlich schon verdammt voll sind.

Dieses Problem ist nun nicht darin begründet, dass Papier plötzlich knapp oder gar ungeduldig geworden wäre. Nein: Vielmehr liegt es daran, dass hierzulande alles eigentlich schon irgendwie gesetzlich geregelt ist. Das muss den Gesetzesgeber im Allgemeinen wie im Besonderen ja frustrieren.

Bis zum eigenen Horizont und noch viel weiter

So ist es kaum verwunderlich, dass das – juristisch weitgehend ungeregelte – Internet eine geradezu animalische Anziehungskraft auf unsere Politiker ausübt. Das ist nun irgendwie schade, denn bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass das Internet gar nicht das obskure Objekt der Begierde ist. Stattdessen ist es das Objekt einer obskuren Begierde.

Gewiss haben Politiker nicht Unrecht, wenn sie erklären, dass es „eine Horrorvorstellung ist, ein Bild von sich im Netz zu haben, das man vielleicht nicht mehr herausbekommt“ (Innenminister Friedrich) und auch der Frauenausschuss des Europaparlaments hat ja Recht, wenn er fordert, „jede Form von Pornografie in den Medien und Werbung für Sextourismus zu unterbinden“. Zugleich verkennen sie auf geradezu tragische Weise die Realitäten der virtuellen Welt.

Aufgemerkt, sehr geehrter Minister Friedrich und nicht minder geschätzter Frauenausschuss des EU-Parlamentes: Gesetze sind ja manchmal gut und richtig. Aber immer haben sie auch einen gravierenden Nachteil: Ihre Reichweite endet an den Grenzen des Landes (oder der Länder) die sie erlassen. Und es ist nun mal das entscheidende Attribut des Internets, dass es an keiner Grenze dieser Welt wirklich endet.

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